Auf einer Wahlkampfveranstaltung wurde vor kurzem aus dem Teilnehmer- und Veranstalterkreis angeregt, die Geschäftsordnung des Rates und der Ausschüsse dahingehend zu ändern, daß eine größere Mitwirkung von anwesenden Bürgern ermöglicht werde.
Solch einem Vorhaben sind sehr enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Die Mitwirkungsrechte der Einwohner in Gremiensitzungen beschränken sich auf die in §62 NKomVG genannte Einwohnerfragestunde (Absatz 1) und die Möglichkeit, anwesende Einwohner zu den Beratungsgegenständen zu hören (Absatz 2):
§ 62 Einwohnerfragestunde, Anhörung
(1) Die Vertretung kann bei öffentlichen Sitzungen Einwohnerinnen und Einwohnern ermöglichen, Fragen zu Beratungsgegenständen und anderen Angelegenheiten der Kommune zu stellen.
(2) Die Vertretung kann beschließen, anwesende Sachverständige und anwesende Einwohnerinnen und Einwohner einschließlich der nach § 41 von der Mitwirkung ausgeschlossenen Personen zum Gegenstand der Beratung zu hören.
(3) Einzelheiten regelt die Geschäftsordnung.
Die Einwohnerfragestunde ist in Bienenbüttel in der zur Zeit gültigen Geschäftsordnung wie folgt geregelt:
§ 17 Einwohnerfragestunde
(1) In einer öffentlichen Ratssitzung findet eine Einwohnerfragestunde statt. Die Fragestunde wird von der/dem Ratsvorsitzenden geleitet. Sie soll 30 Minuten nicht überschreiten.
(2) Jede Einwohnerin und jeder Einwohner der Gemeinde Bienenbüttel kann Fragen zu Beratungsgegenständen der Ratssitzung und zu anderen Angelegenheiten der Gemeinde stellen. Die Fragestellerin oder der Fragesteller kann bis zu zwei Zusatzfragen anschließen, die sich auf den Gegenstand ihrer oder seiner Fragen beziehen müssen.
(3) Die Fragen werden von der Bürgermeisterin/dem Bürgermeister beantwortet. Eine Diskussion findet nicht statt.
Die Geschäftsordnung enthält keine Regelung, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Tagesordnung die Einwohnerfragestunde stattfinden soll, gelebte Praxis ist jedoch, diese regelmäßig zu Beginn der Sitzung stattfinden zu lassen. Der Verfasser unterstützt diese Praxis. Es ist wenig sinnvoll, Fragen zu stellen, nachdem die Ratsmitglieder zu den Tagesordnungspunkten gesprochen haben und Beschlüsse gefaßt worden sind.
Kritisch zu werten ist jedoch, daß Fragen ausschließlich vom Bürgermeister beantwortet werden dürfen. Zunächst fehlt eine Stellvertreterregelung. Folgte man dem Wortlaut, so könnten Einwohnerfragen in Ausschußsitzungen bei Abwesenheit des Bürgermeisters nicht beantwortet werden, zumal auch der ständige Stellvertreter nicht zwingend anwesend sein muß.
Darüber hinaus ist grade bei Fragen zu Beratungsgegenständen nicht plausibel, daß ausschließlich der Hauptverwaltungsbeamte antworten dürfen soll. Dies umso mehr, als er nicht nur eine koordinierende, ausführende Position innehat (wie früher ein Gemeindedirektor), sondern heutzutage ein Amtsträger mit Parteibuch ist, der dezidiert eigene Meinungen vertritt. Die Geschäftsordnung im aktuellen Wortlaut läßt in der Einwohnerfragestunde eigentlich nur Raum für Petitessen ("Ist dem Bürgermeister bekannt, daß in der Bahnhofstraße die Straßenbeleuchtung defekt ist?") oder formell-prozessuale Fragen zu Beratungsgegenständen. ßußert der Bürgermeister seine persönliche Ansicht zu Beratungsgegenständen, so erhält er dadurch nach Meinung der Verfassers eine ggü. den übrigen Mitgliedern der Vertretung herausgehobene Stellung, die ihm verfassungsrechtlich möglicherweise nicht zusteht.
Ich rege daher an, §17 (3) wie folgt abzuändern:
(3) Die Fragen werden vom Bürgermeister/der Bürgermeisterin, seiner/m ständigen Stellvertrer(in) oder dem/der Vorsitzenden beantwortet. Ratsmitglieder können sich ergänzend zu Wort melden, §10 gilt entsprechend. Eine Diskussion findet nicht statt.
Der Verweis auf §10 dient der Klarstellung, daß die üblichen Sitzungsregeln für Wortmeldungen und Redezeit gelten sollen.
Der Passus "Eine Diskussion findet nicht statt" klingt harsch, soll jedoch lediglich unterstreichen, daß Einwohner ausschließlich konkrete Fragen stellen sollen, und verhindern, daß von ihnen Thesen und Meinungen oder allgemeine Kommentare abgegeben werden; so etwas ist verfassungsrechtlich nicht zulässig (analog z.B. zum Verbot für Besucher des Bundes- oder Landtages, bei Sitzungen zu applaudieren).
Ein späterer Beitrag wird sich mit weiteren Aspekten der Geschäftsordnung befassen.
Friday, September 16. 2016
Zur Geschäftsordnung des Rates und der Ausschüsse (1)
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